Über den Seminarbrief
Der Seminarbrief wird von den Studierenden des Priesterseminars für dessen Freunde und Förderer geschrieben. Er richtet sich aber ebenso an Interessierte, die auf diese Weise das Seminar kennen lernen wollen. Unser Ziel ist es, in ihm das Studium und das gemeinsame Leben als Teile der Priesterbildung anschaulich und mitlebbar zu machen. Er erscheint zwei Mal jährlich.
Bitte wenden Sie sich an info@priesterseminar-stuttgart.de oder 0711-166830 falls Sie ihn per Post erhalten wollen.
Seminarbrief Johanni 2023
Liebe Freunde des Seminars,
seit 1933 ist der Seminarbrief einer der wichtigsten Kanäle, um den Kontakt zwischen dem Seminar und der Außenwelt zu pflegen. Sowohl vom Inhalt als auch vom Aussehen her zeigen die alten Seminarbriefe ein Abbild des Zeitgeistes, in dem die sich entwickelnde Christengemeinschaft hindurchtönt. Die Seminarbriefe waren anfänglich nur geringen Umfangs und mit Schreibmaschine geschrieben. Im Laufe der Zeit wurden sie durch Studentenzeichnungen bereichert, entwickelten ihre Vielfarbigkeit und schließlich wurde der Einblick noch detaillierter durch das Medium der Fotografie.
Die Studenten des Stuttgarter Seminars, von denen Sie lesen können und konnten, leben, arbeiten, studieren und beten in Gemeinschaft. Obwohl wir dies als Gruppe erleben, ist es wahr, dass jeder von uns einen ganz persönlichen Weg auf der Suche nach dem „Christus in dir, in mir, in uns” zu gehen hat. Unzählige dieser sehr persönlichen Biographien waren in den vergangenen Jahrzehnten in diesem Rundbrief zu lesen. Dieser persönliche Weg kann jedoch dazu führen, dass man sich als Student in der Gemeinschaft manchmal allein fühlt.
In einer sich schnell verändernden Welt, in der der Materialismus eine große Rolle spielt, wird die Herausforderung, Priester auszubilden, noch größer werden. Aber auch die Aufgabe, dem Priesterlichen in jedem Menschen eine Entfaltungsmöglichkeit zu geben, ist wichtig für unsere Ausbildung, für die Zukunft des Seminars wie auch der Christengemeinschaft. Deshalb ist es besonders wichtig, dass wir aufmerksam bleiben für das, was in der Welt innerhalb und außerhalb der Christengemeinschaft geschieht.
Auch deshalb ist es uns ein Anliegen, dass die große Welt, wenn sie will, einen Blick in unsere kleine Welt in Stuttgart werfen kann. Ihre Unterstützung ist auch in dieser Weise für uns notwendig. Dank der Leser unseres Seminarbriefes fühlen wir uns von einer großen Gruppe von Menschen in der ganzen Welt unterstützt. Wir sind nicht alleine! Umso wichtiger, dass wir mit dieser Welt im Austausch bleiben, damit das Seminar ein zeitgemäßer Gesprächspartner für die Welt bleiben kann.
In dieser Ausgabe können Sie auf 90 Jahre Priesterseminar Stuttgart zurückblicken, beispielsweise durch zwei Artikel aus dem allerersten Seminarbrief. Sie können unter anderem die Wünsche verschiedener Menschen lesen, die am Leben und Wirken unserer kleinen Gemeinschaft beteiligt waren und sind. Wir wünschen uns als Redaktion, dass der Seminarbrief weiter zu einem wichtigen Kommunikationsorgan heranwachse, das zur Kommunikation zwischen den Gemeindemitgliedern in der Welt und dem Priesterseminar beitragen möge.
Wir danken Ihnen für Ihre fortwährende Aufmerksamkeit und Liebe und wünschen dem Priesterseminar noch viele schöne Jahre!
Sommerlich grüßt die Redaktion
Seminarbrief Advent 2022
Liebe Freunde des Seminars,
im goldenen Herbst eröffneten wir das neue Semester in großer Runde. Zusätzlich zu den 39 Seminaristen aus 17 Ländern hießen wir Gäste aus Nordamerika und vom Proseminar aus der Ukraine willkommen, bevor wir uns auf den Weg zur großen Tagung nach Dortmund machten. Nun haben wir drei Seminarleiter und übergangsweise
vier Menschen in der Hauswirtschaft.
Viele neue Sprachen durchtönen das Seminar: Wer spricht die gleiche Sprache wie ich?, mag sich so mancher fragen.
Auch wenn nur ein Drittel der Seminaristen aus Deutschland kommen, finden doch alle Kurse auf Deutsch statt und Sie haben das Vergnügen, eine ausschließlich deutsche Ausgabe des Seminarbriefs in den Händen zu halten, obwohl nur 3,5 Artikel von deutschsprachigen Menschen geschrieben sind.
So ist das Seminar eine Schule des Lauschens: Für die Ausländer, die die deutsche Sprache (noch) nicht beherrschen, für die Deutschsprachigen, die von den anderen nicht verstanden werden.
Nachdem sich alle in der deutschen Sprache getroffen haben, differenzieren sich die Sprachen im Vorbereitungskurs dann wieder: Sie haben gerade begonnen, die Perikopen und dann das Ritualbuch in vier verschiedenen Sprachen zu schreiben – dies ist bei einem Drittel aber nicht die Muttersprache.
Eine Sprache ist jedoch nichts Abgeschlossenes, sondern es zeigen sich in ihr die Spuren vergangener Entwicklungen.
Auch das Evangelium lädt uns ein zu lauschen sowie die aktuelle Ausstellung im Seminargebäude von Leona Flurschütz, aus der die Bilder auf den Umschlagseiten dieser Ausgabe stammen.
In diesem Sinne wünschen wir Ihnen nun ein aufmerksames Lauschen.
Seminarbrief Johanni 2022
Liebe Freunde des Seminars,
dass äußere Räume eine Wirkung auf uns haben, können wir Seminaristen beispielsweise daran erleben, wie gut gelaunt wir sind, wenn der Frühling anfängt. Oder an der ganz anderen Stimmung, die bei unserer Rückkehr vom roten, österlichen Altar ausging im Kontrast zu der vorigen schwarzen Passionsfarbe. Jetzt im Sommersemester genießen wir den Garten zum Pause machen, Studieren, Semestertreffen abhalten, und ergreifen damit viel mehr den Umraum des Seminars.
Das eindrucksvolle Seminargebäude bildet eine äußere Hülle für die Prozesse, die in seinem Inneren stattfinden. Nach den Semesterferien strömen die Menschen aus dem Umraum hinein und erfüllen es mit neuem Leben. Was möchte dieses Semester darin entstehen?
Wir brauchen diesen äußeren Raum, um uns zu begegnen, und die Begegnungen selbst finden im Innenraum statt, z. B. in den Referaten, wo man seinem Thema und beim Präsentieren auch der Seminargemeinschaft begegnet, wie Sie das im Artikel über König David lesen können. So sehen wir, dass das Seminar Raum bietet zur Entwicklung – Entwicklung in uns, am Anderen und in der Gemeinschaft, wie es gezeigt wird im Interview: Brücken zwischen den Seminaren. Wie kann ich inmitten der Menschen meinen eigenen Raum finden? Und wie kann ich dem Raum geben, das mich führen möchte? Dieser Frage begegnen wir im Artikel von Noemi Eckinger. Wie wichtig es ist, einander Raum im Gespräch zu geben, wird im Artikel von Silas Hagenbuch sichtbar.
Andere Perspektiven werden durch den künstlerischen Umgang mit Raum und den Raum für das Künstlerische erlebbar, zum Beispiel im traumhaften Schattentheater des Berufsorientierungsjahrs (s. Foto unten) und in den Bildern von Francisco Göbel Azevedo (Mitte des Seminarbriefs).
In diesem Seminarbrief möchten wir einen Raum schaffen, um Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, zu begegnen.
Seminarbrief Advent 2021
Liebe Leserinnen und Leser des Seminarbriefs,
‘panta rhei’ oder ‘Alles strömt’, oder frei übersetzt ‘Leben ist Bewegung’, lehrt uns: Wir brauchen Bewegung zum Leben und das, was uns dadurch begegnet. In der Natur will das Leben sich noch einmal mit allen möglichen Bewegungen ausdrücken, bevor es stirbt: Im Herbst empfinden wir dieses im Rauschen des Windes, wenn das Laub sich färbt, wenn die Früchte fallen – darin begegnen wir der Melancholie und der Schönheit.
Nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich gibt es viel Bewegung im Seminar, weil das Gebäude täglich von 33 Seminaristinnen und Seminaristen durchströmt wird, einschließlich der jungen Menschen im neuen Berufsorientierungsjahr, sowie dem neuen 3. Jahr und drei Gästen des nordamerikanischen Seminars. Daher vermischt sich in der Küche Deutsch mit Russisch, Spanisch, Portugiesisch, Französisch, Englisch, Niederländisch und einem Hauch von Japanisch und Litauisch beim Duft von brasilianischem Kuchen und berührenden argentinischen Gitarrenklängen.
Eine weitere Bewegung finden wir in der Initiativkraft, die von der inneren zur äußeren Welt fließt und durch die wir den Anderen begegnen können. So haben wir unseren neuen Hausmeister Marco Wink schon ein bisschen kennengelernt, weil er eine wunderbare Initiative in die Hand genommen hat und damit dem Sprachengemisch noch einen alten deutschen Dialekt hinzufügt: Unter seiner Regie werden wir zu Weihnachten das Oberuferer Christgeburtsspiel aufführen. Auch die Initiative des Foodsharings, die seit zwei Jahren im Seminar lebt und für die sich schon viele Menschen engagiert haben, wird von ihm zur Freude der Seminaristen mit Liebe und Begeisterung weitergeführt.
Die Begegnung miteinander wird durch die unterschiedlichen Qualitäten, die verschiedenen Temperamente und die farblichen Schattierungen der Charaktere wirklich ein Geschenk, das sich nicht immer einfach, jedoch immer interessant gestaltet. Dadurch üben wir uns, in unserer Seminarzeit eine echte Gemeinschaft zu werden, denn panta rhei heißt ja auch: Alles fließt zusammen, alles ist eins, sogar die Gegensätze.
In diesem Sinne brauchen wir tatsächlich den Gegensatz zur Bewegung: Ruhe und Stille, und die Fähigkeit zuhause zu sein. Aber was heißt das, zuhause zu sein? Unser liebes Gebäude möchte uns so gerne Geborgenheit schenken, es ist ein Freund mit vielen Geschichten, das uns einlädt, uns zuhause zu fühlen, wie es Francisco Göbel Azevedo so schön in seinem wunderbaren Bild ausgedrückt hat, das Sie auf der Titelseite finden. Doch, kann ich mich auch unabhängig von äußeren Wänden zuhause fühlen, wozu uns die Stimmung des warmen Bildes von Friedrich Spitta auf der Rückseite einlädt? Kann ich im stillen Innenraum leben, mich in einer Frage beheimaten, oder gibt es noch andere Möglichkeiten, mich zuhause zu fühlen?
Wir möchten Sie in diesem Seminarbrief zu einer Begegnung mit dem Seminarleben einladen.
Viel Freude beim Lesen!